Tripp Tipp

Eintauchen ins Gefühl: 35 Jahre Friedliche Revolution

Lesedauer 6 Minuten

35 Jahre Friedliche Revolution, als „im-ehemaligen-Osten-Gebohrene“ bewegen mich jeden Herbst die Vorgänge rund um die Wende und so war es mir dieses Jahr ein Anlass, mal wieder eine Gästeführung in Potsdam zu besuchen. Die Stiftung Preussische Schlösser und Gärten lud thematisch passend dazu ein: „Die Berliner Mauer im Park Babelsberg“. Tolles Thema, bei dem wir nicht lange überlegen mussten. Wir haben uns online ein Ticket geordert und in diesem Beitrag teile ich ein paar Impressionen.

Start der Tour am Schloss Babelsberg

Der Platz vor dem Schloss Babelsberg ist wohl einer der schönsten Orte in Potsdam, wo eine Tour starten kann. Um da hin zu kommen, entscheiden wir uns für den thematisch sehr passenden Weg über die Glienicker Brücke, die Brücke, wo zu Zeiten der Teilung Agenten ausgetauscht wurden. Wir dürfen heute völlig legal und entspannt auf dem Radel die Brücke passieren.

35 Jahre Friedliche Revolution Glienicker Brücke
Glienicker Brücke

Weiter geht es ein kurzes Stück durch die ehemalige ostdeutsche Enklave Klein-Glienicke von wo aus wir uns dann dann über die Parkbrücke dem Park Babelsberg nähern, um am Eingang des Parkes die Räder abzustellen. Und auch hier wandeln wir auf Grenzpfaden, die Parkbrücke war einst nur mit Passierschein begehbar. Die Schilder des Berliner Mauerweges sind allgegenwärtig, so auch hier. Erinnerungsmarken zeigen auf Fotos, wie es einst hier ausgesehen hat.

Berliner Mauerweg / Parkbrücke
Berliner Mauerweg / Parkbrücke

Am Schloss Babelsberg angekommen, freue ich mich erst mal, dass es hier Toiletten gibt. Die kannte ich noch gar nicht. Auf dem Vorplatz des Schlosses finden sich dann so nach und nach einige Leute an. Jeder Neuankömmling wird gemustert, ob das wohl der heutige Rundgangsleiter sein könnte?

Doch da kommt niemand, die Spannung steigt. Die meisten fotografieren noch das Werbeschild für die Veranstaltung oder scannen die darauf abgebildeten Codes. Viele gucken in ihre Handys, ich zwinge mich fast schon, es ihnen nicht gleich zu tun, sondern meine Augen im Hier & Jetzt wandern zu lassen. Erst mal auf´s Werbeschild, auf dem gerade traurig ein ehemaliger Grenzturm stirbt.

Werbeschild Die Berliner Mauer im Park Babelsberg
Werbeschild: Die Berliner Mauer im Park Babelsberg

Mein Blick wandert weiter in einen Bereich, den ich als einen meiner Lieblingsblicke in Potsdam bezeichnen würde. Das Schloss im Rücken schauen wir den Hang hinab über die Havel zur Glienicker Brücke. Das Wetter ist so gut heute, dass die Kamera sogar die Zweifarbigkeit, die Teilung der Brücke einfangen kann. Rechts dunkel, links hell. Achja – und Maulwürfe gabe es nicht nur zu DDR-Zeiten.

Glienicker Brücke
Glienicker Brücke

Dann gehts endlich los!

Heiß erwartet, öffnet sich dann eine Tür.

Nur wenige Augenblicke später taucht aus eben jener Tür schwungvoll, mit roten Wangen, offener Jacke und einem Stoffbeutel Susanne Drenhaus-Lemgo auf. Ohne große Selbstbeweihräucherung geht es los, das mag ich. Kurz verrät sie uns, dass sie eine von „drüben“ und mit einem Mann „von-hier“ verheiratet ist und später auch noch, dass Sie Germanistik studiert hat. Unterwegs für die Schlösserstiftung, Fridericus und die Kulturerben von Potsdam webt sie nun einen fast 90 minütigen Teppich aus der Park Babelsberger Geschichte und der irgendwann darin befindlichen Grenze.

Dazu wandeln wir vom Schloss durch den sogenannten Pleasure Ground, den sorgsam und fein ausgelügelten Vorgarten des Schlosses.

Pleasure Ground
Pleasure Ground Park Babelsberg

Die Rosentreppe

Kommt man heute als, nun sagen wir historisch unbedarfter Besucher in den Park Babelsberg, fällt im Prinzip überhaupt nicht auf, dass hier einst der streng bewachte Grenzstreifen mit Streckmetallzaun, Hundelaufanlage und im Wasser befindlichen „Stalinrasen“ war.

Durch das Gitter der Rosentreppe sieht man die Glienicker Brücke in deren Mitte und dann weiterlaufend durch die Havel die Grenze verlief.

Nur aufgrund der unermüdlichen Arbeit der Gärtner des Parks, können wir heute auf eine Gartenlandschaft schauen, die ihresgleichen sucht. Frau Drenhaus-Lemgo zeigt uns Fotos, wie es einst hier ausgeschaut hat. Die heute vor allem auch bei Sportlern so beliebte Rosentreppe, war nahezu zerfallen.

Rosentreppe Park Babelsberg
Rosentreppe Park Babelsberg

Das Jagdschloss Glienicke, das Maschinenhaus und der Fernmeldeturm Wannsee

Ich selbst habe ja schon einige Gesundheitswanderungen rund um den Grenzverlauf gegeben und jedes Mal taucht nicht nur bei mir die Frage auf, sind wir nun im Westen oder im Osten? Das ist gar nicht immer so leicht zu sagen in der Ecke.

Vom Hang schauen wir hinüber zum Jagdschloss Glienicke, das ist das orangefarbene Gebäude links im Bild. Das gehört zum Berliner Stadteil Wannsee, also ehemaliger Westen. Die weißen Häuser im Bild gehören zu Klein-Glienicke, eine ostdeutsche Enklave, welche zu damaligen Zeiten nur mit Passierschein zu betreten war. Wir selbst stehen im Park Babelsberg, Nähe Maschinenhaus (das Gebäude mit dem hübschen Türmchen am rechten Bildrand – welches man aus Gründen der Grenzsicherung am liebsten abgerissen hätte.)

Und in dieser Ecke spielte sich eine unglaubliche Fluchtgeschichte ab. Alles kann ich hier natürlich nicht verraten – wenn ihr die Umgebung dieser drei genannten Gebäude live erkundet, werdet ihr zwangsläufig darauf stoßen.

Spuren der ehemaligen Grenze

Obgleich es auf den ersten Blick nicht so aussieht, finden sich doch vereinzelt Spuren der ehemaligen Grenzanlagen. Wie zum Beispiel dieses Postentelefon. Und weil man nie weiß, wie lange so etwas da noch steht, konserviere ich es mal mit einem Foto:

ehemaliges Postentelefon im Park Babelsberg
ehemaliges Postentelefon im Park Babelsberg

Genauso ist es mit dem sogenannten „Stalinrasen“ – fiese Stachelmatten, mit denen man die Strände der Havel ausgelegt hat, damit mögliche Flüchtige sich ordentlich die Füße aufreißen. Ganz furchtbar. Hier noch mal in Farbe, für den Fall, dass sich jemand die Grenze zurückwünscht:

Stalinrasen
Stalinrasen

Und auch dieser weiße Tupfer an der eher gelben Mauer des Gebäudes ist eine Erinnerung an den damaligen Grenzstreifen. Was es damit auf sich hat, erzähle ich dir mal, wenn wir gemeinsam in der Ecke spazieren gehen. Alle Details einer Führung muss man ja nun nicht direkt wiedergeben, das versteht ihr sicherlich.

Fazit zur Tour

Alles in allem eine wirklich gelungene Tour, die uns ein wenig dabei geholfen hat, sich in das Thema der Grenze hineinzudenken und vor allem das Wissen immer wieder wertschätzend aufzuwärmen. Wertschätzend deshalb, weil es im Trubel des jetzigen Alltags manchmal untergeht, wie gut es uns geht, auch wenn natürlich nicht alle Dinge bejubelnswert sind. Aber der Blick zurück zeigt: Es könnte auch deutlich schlechter sein. Was wäre denn gewesen, wenn es die politische Wende 1989 nie gegeben hätte?

Schön also, dass die einzige Grenze auf dieser Tour diese rot-weiß gestreifte Bake mit etwas Flatterband war.

Vielen Dank an Frau Drenhaus-Lemgo und danke auch dir, dass du bis hierhin virtuell mitgewandelt bist, in der Todeszone, dem ehemaligen Grenzstreifen, der sich heute Unesco-Welterbe nennen darf.

Schau gern bald wieder auf eine neue Impression hier hinein.

PS: Und weil es fast ein wenig wie Werbung ausschaut, möchte ich nochmal betonen, dass wir völlig aus eigener Motivation an dieser Tour teilgenommen und die Tickets selbst bezahlt haben. Wenn ich Personen hier im Blog nenne, dann ist das in erster Linie ein Zeichen, dass es mir gefallen hat.

Und noch ein PS: Wenn du nun nochmal das Beitragsfoto ganz genau studierst, siehst du die quietschgelbe MS Sanssouci kurz vor der Durchfahrt durch die Glienicker Brücke. Auch damit sind wir schon gefahren und den Beitrag dazu findest du hier: Schlösserrundfahrt mit der MS Sanssouci Potsdam

Autorin: Sandra Hintringer

 

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