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Kunst am Bau in Potsdam in Gefahr? Die Giebelbroschen im Schlaatz

Giebelbroschen im Schlaatz
Lesedauer 7 Minuten

Manche Dinge würden sang- und klanglos an mir vorbeigehen, gäbe es nicht den einen oder anderen fleißgen Blogger oder Instagramer. Dieser Beitrag ist also inspiriert von ziemlich viel Vorarbeit und Informationen anderer Leute und dennoch möchte ich Euch teilhaben lassen. Im heutigen Beitrag geht es um Kunst am Bau in Potsdam und damit um die Giebelbroschen im Schlaatz. Diese typischen DDR-Fassadenmarkierungen sind in Gefahr, einige von ihnen sogar schon überbaut und damit nicht mehr originalgetreu sichtbar. Was die Wohnungsbaugesellschaften sich haben einfallen lassen, um dennoch daran festzuhalten, wo du die Giebelbroschen findest und was ich persönlich davon halte – all das erfährst du in diesem Beitrag. Und nun los – es geht in den Süden von Potsdam.

Was sind eigentlich die Giebelbroschen im Schlaatz?

Genau – diese Frage habe ich mir auch gestellt, als ich das Wort zum ersten Mal gehört habe. Giebelbroschen sind kreisförmige und symbolhafte DDR-Kunstwerke. Diese Giebelbroschen im Schlaatz sind in die Wetterschalen der Plattenbauten eingebaute Mosaike und finden sich vor allem an den Hauswänden der Wohnblocks und lehnen sich in ihrer künstlerischen Gestaltung an das ehemalige dort befindliche Sumpfgebiet an. Sicherlich dienen sie bis heute und nicht nur Kindern zur Orientierung.

Giebelbrosche im Schlaatz Potsdam blauer Otter auf dunklem Untergrund
Otterkiez

Ganz naturgetreu nannte man die zwischen 1980 und 1987 im neuen Plattenbauviertel „Am Schlaatz“ entstandenen Straßen zum Beispiel „Otterkiez“, Bisamkiez, Schilfhof und viele andere. Das Wort Schlaatz stammt aus dem slawischen und bedeutet soviel wie „von Sumpf umgeben“ und genau diese Tier- und Pflanzensymbolik findet sich in den Giebelbroschen im Schlaatz. Über Kunst lässt sich ja bekanntlich streiten – immerhin lockern diese mittels farbigem Kiesel und auch farbigem Glasbruch gestalteten Kunstwerke die tröge Plattenbausiedlung zumindest ein wenig auf. Wenn die Sonne günstig drauf scheint, glitzern sie sogar ein wenig. Zu Enstehungszeiten schon eine halbe Revolution.

Konkret siehst du an den Wänden also spielende Otter, Bisamratten, ein Biber der sich an einem Baumstamm zu schaffen macht und viele weitere Motive. Insgesamt waren es wohl mal knapp 30. Hier fehlen mir allerdings konkrete Quellen. Wir waren heute (Stand 19.02.23 im Schlaatz unterwegs und haben insgesamt noch 16 alte gefunden – ob das alle noch vorhandenen waren, kann ich ebenfalls nicht sicher sagen.) Falls es einer von euch weiß, schreibt es mir ruhig mal rein in die Kommentare.

Giebelbroschen im Schlaatz Vogel mit orangenen Flügeln
Milanhorst – Giebelbrosche im Schlaatz

Die Entstehung der Giebelbroschen im Schlaatz

Carl Emil Walther, ein zugezogener Architekturstudent, lebt seit 2018 im Bisamkiez. Auf ihn läuft die süße Bezeichung „Plattentiere“ zurück. Das macht die bunten Kieselsteine irgendwie lebhaft. Heute bezeichnet er sie in einem Betrag der TauZone, einer Stadtteilzeitung, als Wunder und er hat sich ausführlich mit „seinen“ Plattentieren beschäftigt. Jetzt kämpft er für den Erhalt.

So schreibt Walther im Beitrag, dass der erste Entwurf auf Werner Goehle zurückgeht. Später wird sich ein Kollektiv von Künstern um die Angelegenheit kümmern und es entstehen die auf Straßen- und Blocknamen bezogenen auch mit Medaillonen vergleichbaren Giebelbroschen im Schlaatz.

Nun geht der Bau und damit die Gestaltung in Etappen voran. Zunächst entstehen Straßennamen und damit auch die Giebelbroschen angelehnt an Horste wie zum Beispiel der Sperberhorst. Auf den Giebelbroschen finden sich Vogelmotive.

Es folgen Höfe – diese symbolisieren in den Namen Pflanzen aus diesem Gebiet. Zum Beispeil der Binsen- oder der Erlenhof.

Inseln und auch die „Alte Zauche“, eine durch kleine Flüsschen durchzogene Landschaft, werden verarbeitet. Später folgen noch die dem Wasser geneigten Tiere wie Bisam oder Otter. Es wird betont, dass ein derartig umfassendes Konzept zu damaligen Zeiten nahezu unüblich und auch einzigartig war. (Uns soweit ich weiß auch bis heute ist – aber auch dafür habe ich keine Quelle.)

Plattentiere Schlaatz An der alten Zauche Giebelbrosche an der alten Zauche
Giebelbrosche „An der Alten Zauche“

Warum sind die Giebelbroschen im Schlaatz in Gefahr?

Ganz einfach – die Zeit schreitet voran, die Häuser kommen in die Jahre und der Klimaschutz erfordert Modernisierung. Die Häuser müssen energetisch saniert werden. Dies ist bei einigen Häusern im Schlaatz schon geschehen.

Dabei werden einfach auf die Fassaden Dämmelemente aufgebracht mit Dämmkleber richtiggehend verklebt. Solche Dämmkleber bestehen aus mineralischen Bindemitteln. Hinter diesen Worten stecken Zement, Kalk und Gips. Damit das alles schön hält, gibt es noch eine Ladung Kunstharz dazu.

Klatsch. Drauf auf die Fassade und damit auch auf die Plattentiere. Und weg sind sie.

Dem noch nicht genug – nun werden die Platten noch mit Tellerdübeln fixiert. Das geht schnell. Das diese durch die Kunstwerke gebohrt werden, scheint niemanden zu interessieren. Das tut schon irgendwie weh, wenn man sich da reindenkt.

Das bräuchte später einen richtig guten Restaurator, der die Sache nach Jahrzehnten dann wieder freilegen könnte – so man überhaupt in Erwägung ziehen würde, die Dämmelemente wegen den Giebelbroschen im Schlaatz von den Fassaden wieder abzunehmen.

Welche Lösung hat man derzeit für die Giebelbroschen im Schlaatz?

Um zumindest die Idee der Bieber, Otter und Binsen zu erhalten, wurden die Plattentiere optisch identisch – aber eben einfach nur auf die neuen Fassaden aufgemalt. Kein Kiesel mehr, kein farbiger Glasbruch. Kein Glitzern, kein Fassadenzauber. Einfach nur eine plane Fläche. Das ist zwar eine nette Idee – aber trotzdem nicht original und auch ein großer Unterschied. Schau mal:

Baugerüste haben wir derzeit wenige gesehen – bis letztendlich alle Giebelbroschen verschwinden, wird noch ein wenig Zeit ins Land gehen. Vielleicht reicht dieser zeitliche Aufschub, um wenigstens einige der Originale zu erhalten.

Sobald ich diesbezüglich Neuigkeiten erfahre – editiere ich diesen Beitrag. Denn jetzt wo ich mich mal ein klein wenig reingesteigert habe – interessiert mich total, wie diese Geschichte ausgeht. Kann man diese einzigartige DDR-Kunst am Bau in Potsdam erhalten?

Meine persönliche Meinung zu den Giebelbroschen

Meinungen und Standpunkte bilden sich immer in Etappen. Bis vor zwei Wochen hatte ich keinerlei blassen Schimmer, was es mit diesen Giebelbroschen auf sich hat. Auch die groß angelegte Initiative: „Wir machen Schlaatz“ hatte mich noch nicht wirklich erreicht. In dem durchaus als sozialer Brennpunkt betrachteten Stadtteil wird sich in den kommenden Jahren noch einiges bewegen und das ist auch gut so. Schon immer fand ich die Lage an der Nuthe total toll, darüber hinaus empfinde ich den Stadteil wirklich lebhaft.

Selbst bin ich ein Kind der DDR und Dinge, die unwiederbringlich verschwinden sollen, fotografiere ich gern nochmal. So wundert mich meine Neugierde nicht. Auf geht es also zu den Giebelbroschen in den Schlaatz. In diesem Beitrag habe ich übrigens bereits einige tolle Wandgemälde vom Schlaatz aufgeführt, nicht nur für die Giebelbroschen lohnt sich ein Besuch in diesem Stadtteil.

Giebelbrosche Schlaatz
umranke alte Giebelbrosche

Beim Rundgang dreht sich ein Wort immer und immer wieder in meinem Kopf. Um Gottes Willen ist das muchig hier. Soooo viel Müll in den Gebüschen, in den Beeten vor den Häusern und rund um die Mülltonnen. Das lenkt total ab und ist auch irgendwie nicht zu verstehen – das zeige ich euch kurz und dann geht es weiter:

Wir folgen unserer Mission – Giebelbroschen sichten, fotografieren, einen Eindruck gewinnen und eine Meinung bilden.

Tja. Tatsächlich ist es so, dass mir persönlich egal wäre – ob der Biber nun aus Kieselchen oder aus Farbe auf die Fassade aufgebracht ist. Würde ich die Geschichte dahinter nicht kennen, wäre es mir gar nicht aufgefallen.

Aber es geht hier um mehr. Vor allem nicht um meine persönliche Meinung – es geht um Erhalt von Kunst- und Kulturschätzen und zwar aus der Epoche der DDR. Mögen sie auch unscheinbar und auch nicht mehr zeitgemäß sein – das sind wichtige Zeitzeugnisse und aus diesem Grund schließe ich mich gern an und sage:

Die Giebelbroschen im Schlaatz müssen erhalten werden.

Und genau das ist der Grund, warum dieser Blogbeitrag entstanden ist. Um die Geschichte  über die Plattentiere überhaupt weiterzuerzählen, denn ich vermute, es wird ganz vielen so gehen wie mir bis vor zwei Wochen.

Was denkst Du über die Giebelbroschen im Schlaatz? Schreibe es mir ruhig mal in die Kommentare.

Und ansonsten danke ich dir, dass du heute mit mir ein wenig durch Potsdam spaziert bist. Schau gern bald wieder hier rein – wie du bestimmt schon ahnen wirst, liegt der nächste Beitrag schon in der Warteschleife.

alte Giebelbrosche – Schilfhof Potsdam

 

 

Vielen Dank an:

Inspiriert wurde ich zu diesem Beitrag von Nadine von potsdamomente.de, vom Instagramkanal von platten.tiere.schlaatz und durch Kerstin von potsdamerblogger.de – da ich am Tag einer öffentlichen Führung leider keine Zeit hatte – haben wir uns einfach heute mal zu dritt auf den Weg gemacht und sind eine Runde durch den Schlaatz spaziert. Das war ein wirklich schöner Spaziergang auf welchem wir nicht nur die Giebelbroschen sondern weitere Wandgemälde und auch DDR-Kunst in Form von Skulpuren entdecken durften. Ich habe es nicht bereut und freue mich, wenn ich mit diesem Beitrag einen kleinen Teil zum Erhalt der Broschen beitragen kann. Wäre zu schön.

 

 

Quellen:

 

1. TauZone – Die Stadtteilzeitung für den Schlaatz

2.  Art-efx.de

3. Instakanal von platten.tiere.schlaatz

4. https://www.schlaatz.de/

5. https://wir-machen-schlaatz.de/

 

Nachtrag zur Weiterentwicklung vom Schlaatz

Kleiner Nachtrag der nicht direkt was mit den Giebelbroschen im Schlaatz zu tun hat. Am 27.02.23 öffnet in einem Container auf dem Marktplatz im Schlaatz das Planlabor des „Bündnis am Schlaatz“. Hier ist jeder eingeladen, sich gemäß dem Motto: „Wir machen Schlaatz 2030“ einzubringen oder sich einfach nur auf den aktuellen Stand bringen zu lassen.

Für den Schlaatz existiert der sogenannte Masterplan – zusammen mit Wohnungsgenossenschaften, den Bewohnern und auch der Landeshauptstadt Potsdam haben Planer vom Octagon Architekturkollektiv und GMD 13 Landschaftsarchitekur diesen Plan erstellt. In der Grundidee möchte man einen Ort entwicklen, an dem die Menschen gern verweilen, gern wohnen, wo gute Vernetzung herrscht und der auch beim Rest der Potsdamer Bevölkerung ein gutes Ansehen hat.

Ob die Idee Bestand haben wird, dass alle momentanen Bewohner bleiben dürfen – was im Wesentlichen natürlich von den bezahlbaren Mieten abhängt, das bleibt abzuwarten. Grundsätzliche Inhalte des Masterplanes sind Neuorientierung im Städte- und Landschaftsbau. Geht es einerseits vielleicht um Rückbau, so wird an anderer Stelle von Ergänzungsbau gesprochen. Parkflächen werden neu organisiert. Es entstehen neue und vielfältigere Nutzungskonzepte sowohl im Bereich Wohnen als auch im Bereich Gewerbe.

Den Masterplan im Detail kannst du dir hier anschauen:

 

2 Kommentare

  • Liebe Sandra, was für ein tolles Nischenthema und genau unsere Einflugschneise. Man lernt doch nie aus… Dachten eigentlich, Potsdam ein wenig zu kennen. Aber von den Giebelbroschen haben wir bis heute noch nie etwas gehört. Herzlichen Dank für die Inspiration, werden deinen Artikel bei Gelegenheit auch in unseren Potsdam-Artikel verlinken. Viele Grüße von Gabi und Michael, heute aus Faro

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    • Hallo Ihr Beiden,

      ganz genauso ging es mir auch und freut mich ja total, dass es mir gelingt, Euch zu inspirieren 😉 – Solche DDR-Kunst läuft halt immer irgendwo am Rand mit und erst wenn sie droht zu verschwinden – interessieren wir uns verstärkt dafür. Schöne Zeit Euch dort in Faro.

      Lg Sandra

      Antworten

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