Tripp Tipp

Tagesauflug nach Tangermünde

Lesedauer 9 Minuten

Wer mag sie nicht, die von rotem Backstein geschmückten Altstädte? Wenn sie dann noch am Wasser liegen – ist das Idyll nahezu perfekt. Für mich zumindest und so berichte ich heute von unserem Tagesausflug nach Tangermünde. Wie bin ich auf Tangermünde gekommen? Als Bloggerin erschließt man sich die Welt wie ein Puzzle mit vielen Teilen, eins schließt logisch ans nächste an. Und so kam es, dass ich 2020 im Rahmen der Aktion: „Pedalenspione“ einen sehnsüchtigen Blick über die Elbe werfen durfte. Dazumal standen wir an der Deichbruchgedenkstätte in Fischbeck, warteten auf den damaligen Bürgermeister Bodo Ladwig und lauschten seinen schaurigen Geschichten über das Hochwasser und den damit verbundenen Deichbruch 2013. Kurzes Ausschweifen – aber just seit dem Moment, als ich von dort aus die Silhouette von Tangermünde gesehen habe, wusste ich: Da muss ich unbedingt mal hin.

Anfahrt und Parken in Tangermünde

Also gut. So satteln wir an einem schönen Samstag das vierrädrige Pferd. Von Potsdam aus kommend erreichen wir das in der Altmark liegende Tangermünde nach etwa 1,5 Stunden und etwa um die Mittagszeit. Die Fahrt allein ist angenehm entschleunigend, sie führt weitestgehend über Landstraßen und damit durch die berühmten Brandenburger Wiesen, Felder und Wälder. Eigentlich hätte ich zur fortgeschrittenen Tageszeit mit einer stressigen Parkplatzsuche gerechnet, doch den ersten Bonuspunkt bekommt die Stadt Tangermünde für die unkomplizierte und kostenfreie Parkmöglichkeit am Hafen. Es sind wirklich viele Parkplätze vorhanden. Autotür auf und wir blicken direkt auf das hier als Hafen fungierende Wasser des Flusses Tanger sowie die massive rote Stadtmauer.

 

Wir gehen mal rein und warum Tangermünde – Tangermünde heißt?

Tangermünde gilt seit einer Umfrage des Portals Travelbook 2019 als schönste Kleinstadt von Deutschland. Bei vielen stellt sich als erstes die Frage, warum Tangermünde diesen Namen hat und ich glaube nirgends habe ich es so erhellend empfunden wie hier – Tangermünde ist der Ort, wo der Fluss Tanger in die Elbe mündet. Schön, oder?

Nachdem wir uns auf dem Parkplatz einmal kurz im Kreis gedreht haben – saugt uns das Elbtor magisch in die historische Altstadt hinein. Das auch als Rosspforte bezeichnete Tor ist eine der drei mittelalterlichen Toranlagen. Wie es sich für eine mittelalterliche Stadt gehört, weist uns Kopfsteinpflaster nun den Weg durch die etwa 100 Meter lange Rossfurt. Es ist der gleiche Weg, den aus dem Osten kommende Fuhrwerke und Gespanne bis ins 19. Jahrhundert als einzigen Weg nehmen konnten, um in die Stadt zu gelangen. Ja, ich glaube, ich höre noch ein wenig die Pferde schnauben und die Karren quietschen.

 

Elbtor Tangermünde
Elbtor Tangermünde

Auf dem Bild siehst du vor dem gelben Gebäude rechts eine Treppe – die ist öffentlich, hat ein Geländer und wir steigen mal auf die dort befindliche Brücke hinauf. Ein erster schöner Blick in die Weite und auf das organisch gewachsene Örtchen tut sich auf. Wie immer in solchen Orten stehe ich vor dem Dilemma: Kann mal bitte einer die Häuser gerade rücken, ich möchte schöne Fotos machen. Die schiefen Fachwerksgemäuer mit den halbhistorischen Gardinen interessieren sich Gott sei Dank nicht für meinen neumodisch ästhetischen Blick.

Blick auf die Rosspforte Tangermünde
Blick auf die Rossppforte Tangermünde (Foto: Marcus Kahl / www.fotokahl.de)

Wir merken: Tangermünde lässt sich sehr gut ohne große Vorbereitung erkunden und nachdem wir die leichte Anhöhe erklommen haben, begrüßt uns zunächst mal ein Radfahrer. Tangermünde wird vom Elberadweg gestreift, von hier aus toben die Pedalritter weiter ins südlich gelegene Magdeburg oder ins weiter nördlich gelegene Havelberg.

Radfharer in Tangermüde
Radfahrer in Tangermünde

Die St. Stephanskirche in Tangermünde

Einmal um die eigene Achse gedreht und schon stehen wir vor der evangelischen Stadtkirche St. Stephan. Sie präsentiert sich in Backsteingotik aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Mächtig gewaltig kommt mir dazu nur in den Sinn und während unseres gesamten Rundganges entdecken wir immer wieder den weithin sichtbaren Kirchturm. Der unausgesprochene Sport des Tages entsteht: Die Kirche aus der schönsten Perspektive zu fotografieren. Aber natürlich sind wir auch reingegangen und waren sofort beeindruckt. Ein prächtiges, einladendes Kirchenportal mit einem riesigen „Kirche geöffnet“ Schild, weist uns nun den Weg.

St. Stepahnskirche Tangermünde Eingangsportal
Eingangsportal St. Stephanskirche Tangermünde

Die Kirche beherbergt mit der 1624 vom Orgelbauer Hans Scherer gebauten Scherer-Orgel eine der wertvollsten historischen Orgeln. In den Jahren 1991 – 1994 wurde das Instrument umfassend durch die in Werder ansässige Firma Alexander Schuke Orgelbau GmbH restauriert. Laut deren Internetseite weist die in Tangermünde befindliche Scherer-Orgel den größten originalen Materialbestand auf. Was haben wir nur für ein Glück, dass just als wir hier reinspazieren, genau diese Klänge unsere Gehörgänge erreichen.

Kirchenschiff mit Scherer-Orgel St. Stephanskirche Tangermünde
Kirchenschiff mit Scherer-Orgel St. Stephanskirche Tangermünde

Aber auch sonst gibt es viele schöne Details, die uns länger in der Kirche verweilen lassen. Hatte ich vorhin gesagt, man kann Tangermünde gut auch ohne Vorbereitung durchstreifen? Ja, auf alle Fälle. Falls du dich jedoch etwas einlesen oder die St. Stephanskirche etwas konkreter erleben möchtest, so geht das zumindest für iPhone-Besitzer via kostenpflichtiger Art-Guide-App. Das hätte ich vorher wissen müssen oder anders: Ich komme wohl nochmal wieder.

Denn ich hätte schon gern gewusst, was es zum Beispiel mit dieser alten Tür auf sich hat:

Oder was hier auf dem linken Bild von der Decke baumelt, wer die Herrschaften auf den wunderschönen Reliefs und Gemälden sind.

Eine ganze Weile bleibe ich, obgleich ich konfessionslos bin, an einem Gebet hängen. Es ist die Stelle der Kirche, wo Gäste ein Lichtlein entzünden können. Ein großes, flach mit Sand gefülltes Kreuz liegt auf dem Boden. Zen trifft Evangelium. Im akkurat geharkten Sand leuchten mehrere Teelichte. Im Hintergrund steht eine Skulptur und noch eine Kerze. Die ganze Kirche wirkt sehr ruhig – an dieser Stelle fand ich es ganz besonders schön.

Die Beauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland haben sich dafür eingesetzt, Kirchen wieder stärker öffentlich zugängig zu machen um den Seelen wieder mehr Raum und den Menschen Möglichkeiten zu geben, Kraft zu schöpfen. Ich muss sagen, der Kirche in Tangermünde gelingt das wirklich ganz toll. Wir haben uns wohl gefühlt und verlassen beseelt das heilige Örtchen.

Natürlich freuen wir uns, dass wir uns bei den nun aufkommenden Sonnenstrahlen ein wenig aufwärmen können. Doch das leichte Frösteln ist nicht das einzige Befinden. Jetzt suche ich das Häuschen, auf dem die Dame mit dem Rock abgebildet ist.

Und auch dafür bekommt die Stadt Tangermünde den nächsten Bonuspunkt: Für öffentliche WC´s, kostenfrei, sogar mit WC-Papier und der Möglichkeit, sich die Hände zu waschen – direkt neben der Kirche und auch noch sauber. Wirklich toll, dass habe ich in Deutschland so noch wenig – eher nur im Ausland erlebt.

Und während man so auf seine Pullertruten wartet, wäre gute Gelegenheit, direkt den hier an WC und Kirche befindlichen Fotospot in Tangermünde für ein schönes Erinnerungsfoto zu nutzen.

Das Rathaus von Tangermünde

Nur gut 300 Meter stehen wir nun, vorbeiflaniert an hübschen Schaufenstern, auf dem Tangermünder Marktplatz. Ein Backsteinhighlight jagt hier das nächste und auch das Rathaus besticht schon von Weitem durch seine spätgotische Schauwand. 

Das im 15. Jahrhundert geschaffene Bauwerk gilt als Paradestück deutscher Baukunst. Zu Recht. Völlig fasziniert stehen wir davor und erhoffen uns ein Bild ohne Touristen. Es ist uns genauso gelungen, wie ein Stühlchen im direkt nebenan liegenden Bäckercafe zu ergattern. Von hier aus haben wir Blick auf die Freitreppe mit Laubengang, eine Gruppe der Stadtführung klettert hinauf und wird wahrscheinlich den über diese Freitreppe zu erreichenden Rathausfestsaal und die Ratsstube besichtigen. Wir hingegen schlürfen mit Blick auf historisches Gemäuer genussvoll unser Käffchen. In den Jahren 2003 und 2004 wurde das Rathaus saniert.

Rathaus Tangermünde
Rathaus Tangermünde

Geht man auf die dem Bild abgewandte Seite, so findet sich hier das Stadtgeschichtliche Museum sowie eine berührende Bronzeskulptur von Grete Minde gestaltet von Lutz Gaede. Einst „Verruchtes Weib“ nun „Ehrengerette“. Denn diese, so liest man auf der ebenfalls hier befindlichen Hinweistafel, stammte aus einer angesehenen Patrizierfamilie, mit der sie Zeit ihres Lebens um einen Erbteil stritt. Sie geht in Liaison mit einem Soldaten, der sich räuberisch zeigt und Grete beschuldigt, den großen Stadtbrand von 1617 durch Brandstiftung verursacht zu haben.

Bronzeskulptur "Grete Minde" / Lutz Gaede

 

Das Töpferhäuschen in Tangermünde

Die ganze historische Altstadt ist sehenswert, besonders niedlich wird es, wenn man gefühlt beim Haus an die Dachrinne greifen kann. Wir sind in der Töpfergasse 4 angelangt und stehen vor dem kleinsten Haus in Tangermünde. Das Töpferhäuschen. Wie der Name es vermuten lässt, war dieses Töpferhäuschen einst Wirkungsort von Töpfern und anderen Gewerken. Es misst in der Breite gerade einmal 3,90 Meter und in der Höhe 2,90 bis zur Dachtraufe. Total süß und wenn Du einziehen möchtest, so ist dies zumindest temporär möglich, denn das Haus ist eine Ferienunterkunft.

Töpferhäuschen Tangermünde

 

Die Stadtmauer von Tangermünde

Nur noch in wenigen Orten existiert eine nahezu durchgängige Stadtmauer. Ein Tagesausflug nach Tangermünde lohnt sich schon allein aus diesem Grund. Hinweisschilder vor Ort berichten, dass der erste Mauerring aus Findlingen wohl bereits um 1300 gebaut wurde. Reste sind davon vereinzelt noch zu sehen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Mauer umfangreich saniert. Damit wollte man vor allem Schmuggel vorbeugen und den Warenverkehr gezielt durch die Stadttore lotsen. Auf der Wasserseite (du siehst sie zum Beispiel auf dem Beitragsbild, also auf dem Bild ganz am Anfang des Beitrages) beträgt die Höhe der Tangermünder Stadtmauer 10-12 Meter. Das wirkt schon sehr wuchtig. Wir schlendern nun durch ein nicht ganz so hohen Abschnitt, auf dem Bild siehst du noch ein paar Feldsteine der ursprünglichen Mauer.

Stadtmauer Tangermünde

 

Was sagte ich vorhin – wir suchen den besten Blick auf die St. Stephanskirche? Sowohl vor als auch hinter diesem Durchtritt befinden sich jeweils 2 ganz nette Fotospots.

Die Hausbesetzer von Tangermünde

Ja, ein wenig Politik muss sein. Auch Tangermünde hat das Leid von Hausbesetzern zu beklagen. Ach Halt – das ist ja gar kein Leid, sondern ein wunderschönes Naturschauspiel. Schau mal – Meister Adebar hoch oben auf den Dächern. Besonders auf unsanierten Häusern wohnt es sich toll. (Doch nicht nur hier – auch auf dem Rathaus befindet sich ein Nest, aber das kann sich eben nicht jeder leisten.)

Und ganz nebenbei zieht hinten eine riesige Gewitterwolke auf, welche ein paar Minuten später ein paar mal dumpfes Grollen von sich geben wird. Das jedoch hat unseren Stadtbummel nicht gestört. Im Vordergrund die Fotonerds, mit denen ich an diesem Tag unterwegs war. Kerstin und Marcus.

 

Das Neustädter Tor in Tangermünde

Ein weiteres wunderschönes Highlight im Backsteinschick ist das unter Kurfürst Friedrich I (1415 – 1440) erbaute und unter Kaiser Wilhelm II wiederhergestellte Neustädter Tor. Es gilt als schönste mittelalterliche Toranlage im norddeutschen Raum. Die Höhe des Rundturmes beträgt 27 Meter und über der Tordurchfahrt sind Wappen aufgemalt. Von links beginnend sind das:

  • preußischer Königsadler
  • Reichsadler des Bismarckreiches von 1871 mit aufgelegtem Hohenzollernschild
  • Tangermünder Adler
  • Adler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
  • brandenburgischer Adler

(Quelle: Hinweisschild am Tor)

 

Hafen, Pegelmeßstation und Elbe

Nachdem wir die Altstadt ausgiebig durchforstet haben, spazieren wir nun noch kurz am Hafen vorbei und auf den Deich. Neben dem Sportboothafen fällt der Blick natürlich auf das riesige Gebäude linker Hand. Ein Getreidespeicher, welche die Firma Elblagerhaus GmbH 1941 hier ausbauen ließ. Doch die Geschichte des Speichers ging schon etwas eher los. Das Gebäude umfasst eine Kapazität von 10.000 Tonnen. Sagenhaft.

Hafen Tangermünde

Schon nach kurzer Zeit erreichen wir den herrlich flanierbaren Deich. Zum einen gibt es hier ein wunderschönes Panorama auf die Stadt, zum anderen stehst du direkt inmitten der hübschen Elbauen. Vögel trällern um die Wette und von drüben läuten die Kirchenglocken der St. Stephanskirche.

Ganz am Ende des Spazierweges wartet das hübsche kleine Pegelhäuschen Umgangssprachlich verwendet man das Wort Pegel für Wasserstand, welcher in der Regel in Zentimetern angegeben wird. Heute am 20.6.23 liegt er bei 154, was gemessen am mittleren Pegelstand von 2,55 (gemessen zwischen 2010 und 2020) recht niedrig ist.

Pegelhäuschen

An der Deichspitze angekommen, fühlen wir uns auf einmal, wie in einem fernen Land. Eine eigentümliche Sandsteinskulptur zeigt sich bei späterer Recherche als „Elbwächter“. Augenscheinlich dienten dem Künstler Thomas Reichstein Skulpturen aus anderen Kulturen als Vorbild. Kramt man sich durch sein Archiv, so finden sich zum Beispiel ganz ähnliche, jedoch geschnitzte Skulpturen aus Papa Neuguinea in seinem Fotofundus. Die Skulptur am Elbdeich stammt aus dem Jahr 1998. Damals fand in Tangermünde das Steinbildhauersymposium statt.

Elbwächter / Künstler Thomas Reichstein

Fazit zu Tangermünde

Was soll ich sagen – du hast es am Bericht und an den Fotos schon gemerkt: Ich bin restlos begeistert. Ich werde sicherlich nochmals nach Tangermünde fahren, um mir einige Dinge noch etwas genauer anzuschauen. Für heute gebe ich noch ein paar Fotoimpressionen hier hinein und sage schon mal ein Dankeschön an dich fürs virtuelle Mitreisen. Schau ruhig bald wieder hier hinein, der nächste Beitrag ist in den Startlöchern.

Weitere touristische Unternehmungen rund um Tangermünde findest Du hier.

Und auch andere Blogger sind schon durch das niedliche Altmarkstädtchen gestiefelt. Janett von Teilzeitreisender zum Beispiel und auch Monika und Peter von TravelWorldOnline haben einen Tag in der Stadt verbracht und darüber berichtet.

 

 

4 Kommentare

  • Oh, was für eine bezaubernde Kleinstadt mit lauter sehenswerten Gebäuden. Besonders das Rathaus ist ja eine Wucht. Vielen Dank für die vielen tollen Eindrücke, ich wusste gar nicht, dass Tangermünde so schön ist.
    Viele Grüße
    Annette

    Antworten
  • Tolle Bilder und Beschreibungen! Das „Portrait“ von der Skulptur Grete Minde ist wirklich der absolute Hammer! Super!

    Antworten

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