Tripp Tipp

Nostalgisch speisen in Leipzig: Gaststätte Kollektiv

Speisekarte Gaststätte Kollektiv
Lesedauer 6 Minuten

Viel zu wenig habe ich bisher über meine Heimatstadt Leipzig gebloggt. Leipzig, die Stadt, in der mich die Montagsdemos ’89, zwölfjährig wie ich damals war, Gott sei Dank rausgerissen haben aus einer DDR-Welt, die einige zum Teil bis heute als heile und fein empfinden. Ich nicht. Längst nicht umfassend aufgearbeitet ist der Schaden, den diese Diktatur bei vielen angerichtet hat. Unumstößlicher Fakt ist jedoch, dass viele Menschen durch diese Zeit geprägt sind und wir alle mit den gleichen hübschen Alltagsgegenständen umgeben waren. Früher haben mich manche Erinnerungen teils aus der Bahn geworfen, weshalb ich sie gern vermieden habe. Heute bin ich ein Fan von Erinnerungskultur und begrüße Museen oder Restaurants, wie zum Beispiel die Gaststätte Kollektiv in Leipzig, die mir und anderen diese Erinnerungen auch nach so vielen Jahren noch bewahren. Wir waren dort und heute schreibe ich einfach mal, was dich dort erwartet und natürlich, wie es mir gefallen hat.

Wo befindet sich die Gaststätte Kollektiv?

Kurz: Auf der Karli – also auf der Leipziger Szenemeile Karl-Liebknecht-Straße im wohl lebhaftesten, hippsten und ich glaube auch politisch aktivsten Leipziger Stadtviertel – Connewitz. Inmitten einer Aneinanderreihung höchst individueller Bars, Kneipen und Restaurants machen wir auf der Ecke zur Alfred-Kästner-Straße den kleinen Zeitsprung in die Gaststätte Kollektiv. Über dem Eingang leuchtet ein leicht geschwungenes schwarzes ‚K‘ auf grünem Grund, welches in seiner Form stark an den Konsum oder die Konsum-Kaufhallen der ehemaligen DDR erinnert. Iss wie früher, steht weiter hinten an der Scheibe und vorn am Eingang zieren Frau Elster, das Sandmännchen und andere TV-Kinderstars die großen Anzeigetafeln.

Gaststätte Kollektiv Leipzig Außenansicht
Außenansicht Gaststätte Kollektiv Leipzig Connewitz

Sie werden zwischen Pittiplatsch und Frank Schöbel platziert

Wir kämpfen uns durch den braunen Vorhang an der Eingangstür und werden glücklicherweise nicht sofort platziert. So bleiben uns ein paar Momente, in denen unsere Augen über die vielen nostalgischen Details jagen, die man ja doch nicht sofort erfassen kann. Ein Mifa-Klappfahrrad, gehäkelte Topflappen, ein gelber Thermobehälter, eine Emaille-Kanne, Worcestersauce, eine Packung ATA. Sieht fast so aus, als stünden wir in einer Küche. Ich drehe mich um die eigene Achse und jeder nächste Blick gibt eine Assoziation in die ehemalige DDR. Volles Programm. Schön! Ein großes Blechschild weist nochmal darauf hin, dass wir uns nun in der DDR, also in der Zeit vor 1989 befinden.

DDR Lokal Gaststätte Kollektiv
Gastraum Gaststätte Kollektiv

Wir kommen ins Wohnzimmer der Gaststätte Kollektiv

Die Bedienung führt uns nun ein paar Stufen hinunter ins Souterrain. Ein stoffener Lampenschirm mit den berühmten Franzen verströmt übliches Licht, herrlich sächsischer Slang und ein klein wenig dicke Luft schlägt mir entgegen.

So. Dann machen wir es uns mal gemütlich am original und ausgezogenen Wohnzimmertisch mit den dünnen wackligen Beinchen. Die Deko auf dem Tisch ist einfach praktisch und pragmatisch, wie so vieles in der ehemaligen DDR. Ein gelber Salz-Pfefferstreuer und die kleine braune Schale. Ja, da machen sich bei manchen kuriose Hässlichkeitsgefühle breit. Mit einem Augenzwinkern: Das gehört irgendwie dazu, wenn man so ein Lokal besucht.

Schnell, unkompliziert und freundlich haben wir die Speisekarte der Gaststätte Kollektiv auf dem Tisch. Hier warten nun originale Getränke wie „Leninschweiß“ (Himbeerlimonade), Vita Cola oder ein kollektives Tröpfchen auf ihre Bestellung. Für mich wird es bei aller Nostalgie eine sehr leckere Rhabarberlimo von Proviant, übrigens eine Berliner Firma, die mir bis dato noch unbekannt war.

Eigentlich wollen wir nun ein Essen wählen, werden aber immer wieder von der Deko abgelenkt. Die Bedienung lächelt, als wir uns noch ein Minütchen erbitten. Dankeschön! Lächelndes Personal in der Gastroszene, wo gibt es das denn heutzutage noch?

Und darüber hinaus: Wer wollte nicht schon immer mal mit Frank Schöbel im Wohnzimmer sitzen oder ein wenig über die Frau im Sozialismus erfahren. Bücher, Schallplatten, Kassetten – der Detailreichtum setzt sich konsequent und auf eine Art ungeordnet fort. Da liegt ein Fön neben den Kassetten, die von Kosmetik-Etuis umschmeichelt werden. Sich da optisch durchzuarbeiten dauert ein wenig.

Iss wie früher – stimmt das Motto?

Ja und nein.

Iss wie früher: „Ja“. Die Karte gibt richtig viele schöne traditionelle Gerichte preis. Slawische Sauerkrautsuppe und Soljanka sind garantiert hier die Kassenschlager. Auch Fettbemmen und Karlsbader Schnitten für den schnellen Hunger kennt jeder „Ossi“.

Noch etwas deftiger wird es mit der Sächsischen Krautrolle oder einem Goldbroiler.

Iss wie früher: „Nein“. Denn selbst für nahrungspezielle Menschen wie mich, gibt es durchaus vegetarisches und veganes Essen, welches ich in meiner Kindheit nicht gegessen habe.

Zum Beispiel panierte Edamer Ecken mit Potato Wedges. Trotzdem findet sich auch in diesen eher modernen Speisen mit Remoulade oder Letscho immer ein wenig Bezug zu früher und zur östlichen Küche. Denn es gibt nicht nur reine DDR-Gerichte, auch tschechische oder ungarische Küche ist vertreten. Wer mag, bestellt sich einfach einen leckeren Szegediner Gulasch.

An dieser Stelle ein großes Lob an die Küche in der Gaststätte Kollektiv. Die Auswahl einer Speise von der Karte ist wirklich nicht leicht, ganz unabhängig vom Motto des Lokals macht es einfach Spaß, zwischen Dingen zu wählen, die zu Hause nicht jeden Tag auf dem Herd stehen. Und so kommt es, dass seltenerweise alle am Tisch eine Vorspeise wählen. Von einem schönen Salat über eine Zwiebelsuppe, der besagten Soljanka bis hin zu meiner wirklich gigantischen Waldpilzsuppe sind alle zufrieden.

Noch ein paar Impressionen

Ich habe Glück und erwische einen kurzen Moment, wo die Nachbartische nicht belegt sind. Der einem Wohnzimmer ähnelnde Gastraum:

Gastraum Gaststätte Kollektiv
Gastraum Gaststätte Kollektiv

Auch die beiden dürfen natürlich nicht fehlen: Pittiplatsch und Schnatterinchen, Helden süßer Kinderträume. Nag, nag, nag.

Pittiplatsch und Schnatterinchen

Ein hübsches Telefon mit Wählscheibe, gern privilegierten Personen des VEB Horch und Guck vorenthalten aber auch Ärzte oder andere gesellschaftswichtige Berufe durften ein Telefon bekommen. Leicht war es jedenfalls nicht, an solch´ einen Apparat zu kommen.

Daneben Weltall, Erde, Mensch – ein Buch, welches alle Schüler der DDR zur Jugendweihe bekamen.

Fazit zum Besuch in der Gaststätte Kollektiv

Unsere lustige kleine Zeitreise hat ungefähr 2 Stunden gedauert und auch das Essen hat für uns keine Wünsche übrig gelassen. Das ich am Anfang größere Augen hatte, als der Magen letztendlich an Speisen fassen konnte, dafür kann die Küche nichts – ganz im Gegenteil. Überall meckern wir, dass die Preise teurer werden. In diesem Restaurant war jede Hauptspeise unter 20 Euro und alle sind satt geworden. So muss es sein.

6 Leute hatten jeweils ein Getränk, eine Vorspeise, ein Hauptgericht sowie ein koffeinhaltiges Abschlussgetränk. In Summe sind wir mit gut 170 Euro dabei gewesen, was ich für Service, Originalität, Lage und Speisenangebot völlig in Ordnung fand.

Um jeglichen Enttäuschungen bei deinem Besuch vorzubeugen: Edlen Chic wirst du in diesem Restaurant nicht finden. Du sitzt an, auf und inmitten gespendeter oder auf Flohmärkten erworbenen Tischen, Stühlen und Requisiten. Genau das macht den Coolnessfaktor hier aus, deswegen buchst du dir einen Platz.

Bei uns ging das übrigens recht unkompliziert per mail. Die Anfrage wurde rasch bearbeitet, eine Vorbuchung, vor allem wenn ihr mehr als zwei seid, würde ich empfehlen. Wir waren Samstag Mittag dort und die Gaststätte Kollektiv war zu der Zeit gut besucht.

 

Hinweise zur Transparenz:

Wir haben das Restaurant aus freien Stücken besucht und natürlich auch unsere Rechnung selbst bezahlt. Ich berichte auf meinem Blog unabhängig und vor allem nur über Dinge, die mir gefallen haben, und damit handelt es sich bei diesem Beitrag um unbezahlte Werbung, die wie immer von Herzen kommt.

 

Tja, da bleibt mir auch heute nur vielen Dank zu sagen, dass du bis hierhin durchgelesen hast. Schau gern bald wieder rein, der nächste Beitrag ruckelt sich schon zurecht.

 

Autorin: Sandra Hintringer

 

 

Weitere Infos:

Speisekarte der Gaststätte Kollektiv

 

7 Kommentare

  • Kult. Der Laden ist einfach nur Kult. Beim Reisebloggerbarcamp war ich mit Philipp das erste Mal dort, ein Jahr später bei einem zweiten Leipzigbesuch musste ich den unbedingt meiner Freundin zeigen.

    Und auch die Kohlrouladen, also die Krautwickel, essen. Sehr lecker und wo sonst bekommt man so ein Gericht denn schon noch auf der Karte im Restaurant!

    Antworten
    • Hallo Hubert,

      mega, da habt Ihr Euch ja die Perle schlechthin ausgesucht! Danke für´s Feedback!

      Lg Sandra

      Antworten
  • Da ich gebürtig aus Freiberg komme und in Leipzig wohne, ist mir dieses Gaststätte natürlich ein Begriff. Kult! 🙂 Lg,

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  • Das Kollektiv ist wirklich kultig. Ich liebe Leipzig sowieso.
    Bisher war es mir allerdings noch nicht vergönnt, dort einen Tisch zu ergattern. Aber da ich ja immer mal wieder in die Stadt komme, schaffe ich das sicher noch.

    LG Liane

    Antworten
    • Hallo Liane,

      haha – Kult ist das meistkommentierte Wort zu diesem Beitrag 😉 und ja – das Restaurant ist augenscheinlich sehr gefragt. Ich hatte den Tisch gut 6 Wochen vorher per mail reserviert, allerdings waren wir auch 6 Personen, da wollte ich keinerlei Risiko eingehen.

      Lg Sandra

      Antworten

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