Tripp Tipp

Graffiti Potsdam – ein Spaziergang zwischen Kunst, Kitsch und Kommerz

Lesedauer 9 Minuten

Hier ein Ernie, da ein Kosmonaut, mal Hand auf´s Herz – faszinieren dich Straßenkünste auch so sehr wie mich? Im Beitrag: Graffiti Potsdam – ein Spaziergang zwischen Kunst, Kitsch und Kommerz nehme ich dich heute mit in die Sprayer-Sphären von Potsdam. Gibts die wirklich? Denkst du dir jetzt vielleicht.

Ja – die gibt es aber man muss eben wissen, wo man suchen und gucken muss. Wo fangen wir am besten an? Vielleicht bei den zahlreichen offiziellen Graffitiflächen, welche die Stadt Potsdam zur Verfügung stellt. Denn ganz grundsätzlich ist das Besprühen von Wandflächen illegal und wird auch bestraft. Damit es eben nicht soweit kommt, gibt es viele Möglichkeiten, sein Können zu zeigen. So wie hier im Stadtteil Schlaatz Nähe Bisamkiez. Diese Wand hat uns vor allem wegen dem schönen Farbkontrast zum natürlichen Grün gefallen. Das Kunstwerk selbst – da sind wir uns sicherlich einig, hat noch etwas Spielraum nach oben. Aber gut. Vielleicht kannst du dich auf die Spannungskurve in diesem Beitrag einlassen.

Wer mich kennt, kennt mich durchaus auch mal kritisch. Und bei dieser Garage, welche sich im Stadtteil Waldstadt I befindet, möchte ich einfach die vielgedroschene Phrase reiten: Ist das Kunst? Oder kann das weg? Im Gesamtensemble sah es dann doch ganz niedlich rumpelig aus, deswegen hat es das Bild auch in den Blog geschafft.  Irgendwie rustikal, vor allem mit dem Teppich aus Taubnesseln auf dem Dach. Ganz in der Nähe gibt es übrigens Softeis. Das ist der heiße Tipp, wo du das Kunstwerk findest.

Ist das Kunst oder kann das weg?

Graffiti Potsdam – jetzt geht es so allmählich richtig los:

Und um die Künstlerszene jetzt mal allmählich warm laufen zu lassen, geht es nun zu dieser Fassade eines Jugendclubs. Ebenfalls am Schlaatz. Die hat insofern Charme, dass in den Sprechblasen zwar ganz banale aber sehr lebenspraktische Worte stehen.

Hier mal einige von den Sprechblasen – schön, oder?

Nun macht unsere Graffiti Potsdam Tour einen kleinen Katzensprung in die recht unscheinbare Teltower Vorstadt. Nur unweit einer der Haupteinfallsrouten haben wir diese schönen Wandgemälde gefunden. Was die über Brandenburg schwebenden Kosmonauten genau darstellen sollen, weiß ich nicht.

Auf jeden Fall ist dieses fantastische Kunstwerk bereits 2015 im Rahmen des Wettbewerbs „208plus60m Toleranz – Buntes Brandenburg“ entstanden. Die 208 steht für einen 208 Meter langen Zaun vor dem neuen Landtag. Bereits 2011 gab es am Bauzaun einen Graffitiwettbewerb, just an diesen wurden mit dem 2015´er Wettbewerb noch 60 Meter Toleranz angeknüpft. Die Künstlergruppe „Team Planlos“ aus Strausberg ist mit diesem Graffiti ein Gewinner.

Graffiti Potsdam / Teltower Vorstadt

Unweit davon haben wir noch dieses wirklich geniale Bild vom Gewinner und Cottbusser Künstler Andy Raitz aufgestöbert. Versinnbildlicht hat er hier in seiner Kreativfabrik das Kochen einer Suppe, die Menschen bunt und glücklich macht. Deutlich zu erkennen. Toll.

Graffiti Potsdam / Teltower Vorstadt / Künstler Raitz

Nun denn. Jetzt würde ich sagen, die Zeit in diesem Beitrag ist reif, zum Mekka der Graffiti Potsdam Tour zu kommen. Noch nicht zu meinen Favoriten. Aber zu dem Ort, wo du die meisten auf einem Fleck findest. Unweit des Potsdamer Hauptbahnhofes, genau an der Grenze der Teltower Vorstadt zur südlichen Innenstadt von Potsdam gibt es das „freiLand“, ein etwa 10.000 qm großes Gelände. Liebevoll Kulturzentrum und Spielwiese genannt. (Friedrich-Engels-Straße 22, 14473 Potsdam).

Das Gelände birgt eine spannende Geschichte in sich. Mal befand sich hier die Seidenweberei Michels, später die „Electrola Schallplattenwerke“ und während der NS-Zeit die Arado Flugzeugwerke. Zu DDR-Zeiten wurde das Gelände von den Wasserwerken genutzt. Die jetzigen Stadtwerke Potsdam gewähren dem „freiLand“ über einen Pachtvertrag die Nutzung als Jugend- und Soziokulturzentrum.

So. Und was soll ich Euch sagen. Es hat zwar mit dem Beitragsthema so ziemlich gar nichts zu tun – aber da ist ein kleiner Junge in einem echten Baum geklettert. Ich weiß nicht, wie lange ich das nicht mehr gesehen habe. Und gewissermaßen konnte ich die junge Mutter verstehen, die sich schnell bemüht hat – ihn da wieder runter zu verbalisieren. Mir hat´s dennoch gefallen, denn er war echt weit oben.

Die Graffitis wolltest du sehen. Stimmt´s?

Dann erschrick´nicht, wenn dich diese Fassadengottheit empfängt.

Graffiti Potsdam – freiLand

Augenscheinlich auf dem falschen Weg?

Wer denn? Ich? Du? Wir alle?

Ich muss die Lupe nehmen und genauer hinschauen.

…denn so lautet zumindest die grün-gelbe Schrift. Hier im „freiLand“ hatte ich ziemlich schnell beschlossen, dass es ein Handbuch zu jedem Wandbild geben sollte. Das ist natürlich wohl die spießigste aller spießigen Ideen, die man im Zuge von Graffitis haben kann und dennoch kam sie mir.

Graffiti Potsdam – freiLand

Sicherlich sind die Künstler und Nutzer des freiLandes Touristen in bunten Softshelljacken gewöhnt. Denn schnell ist klar, wir passen da so gar nicht ins Bild. Werden mal beäugt, mit Sicherheit abgestempelt, vielleicht auch kritisch begutachtet. Dennoch denke ich, freut sich jeder Künstler, wenn du seine Kunstwerke anschaust – also scheu´ dich nicht, um die Gebäude herumzulaufen und freu´ dich einfach über all die Kuriositäten, welche du neben den Wandgemälden dort auch noch findest.

Sprayen zieht sich jedenfalls komplett als Thema durch – alles was nicht niet- und nagelfest ist, bekommt eins mit der Dose. Guck mal:

Und auch für langjährige Stammleser, die sich jetzt sicherlich gut identifizieren, findet sich wieder einmal ein passendes Bild 😉 …

 

Graffiti Potsdam – Zur trockenen Kehle

Wir streifen eine ganze Weile umher, deshalb sind auch sehr viele Bilder dort entstanden. Bevor ich eine kleine Galerie starte, zeige ich dir mal meinen Favorit vom freiLand-Gelände – wirklich sehr fein gestaltet.

Und für all die anderen Fotos, erlaube ich mir einfach mal eine Galerie. Scroll dich in Ruhe durch und lass´ die Farben mal kurz auf dich wirken:

Graffiti Potsdam – die Tour geht sogar auch nach dem freiLand noch ein Stück weiter:

Wir düsen jetzt mal ganz ganz kurz in die Innenstadt. Direkt an der Havel und auch an der Nutheschnellstraße, befindet sich auf dem Gelände der Schiffbauergasse die „fabrik Potsdam“. Dies ist ein internationales Zentrum für Tanz- und Bewegunskunst. Hier tanzen nicht nur professionelle Künstler, mittlerweile werden in Jedermann-Kursen eine Menge Körper bewegt.

Das Ensemble wird durch ein kleines Cafe und auch einen Garten vervollständigt. Und wenn du hier rumstromerst, findest du recht schnell dieses unscheinbare aber durchaus eigenwillige Graffiti. Im fabrikcafé gibt es ausschließlich vegan / vegetarische Kost. Vielleicht will uns dieses Bild irgendetwas in dieser Hinsicht verraten.

Der Künstler ist mir leider unbekannt… aber wollte er vielleicht sagen, dass wir GANS schön „grau und alt“ ausschauen, wenn wir mit spitzen Fingern Fleisch essen? Versuch einer Interpretation …. ich kann auch irgendwie nicht so richtig erkennen, in welchem Tier die Gans da eigentlich drin stecken soll. Schade, dass ihr alle nicht life zur Interpretation dabei gewesen seid.

Graffiti Potsdam – fabrik / Schiffbauergasse

Ja und nun wird es dann wohl so allmählich Zeit, das Finale des Beitrages einzuläuten. So richtig kann ich mich nicht entscheiden, wer für mich auf dieser Tour der Gewinner ist. Jedes Werk ist auf seine Weise schön und einzigartig und dennoch gibt es sie, die heimlichen Favoriten. Weil sie schon einmal einen ganzen Beitrag in meinem Blog bekommen habe und ich mittlerweile ein richtiger Fan bin – möchte ich euch zunächst zwei Bilder der Firma artefx aus Potsdam zeigen.

Dieses hier, ist wohl eines der gigantischsten, welches ich von dieser Firma in Potsdam kenne. Über die komplette Hausfassade streckt sich dieser Baum.

Nur um die Ecke weiter gibt es eine weitere Fassade. Genauso schön und bewunderswert.

Danke für das Foto: fotokahl.de

Und du ahnst es, so langsam komme ich zum Ende und damit aber zu meinem absoluten Highlight. Ein wunderschönes Wandbild von Herakut. Unlängst waren wir in Wittenberg auf dieses Künstler-Duo aufmerksam geworden. Sie, Hera (Jasmin Siddiqui) und Er, Akut Falk Lehmann – schlossen sich für gemeinsame Arbeiten zusammen zu „Herakut“.

Wir sind nun final nochmals im Stadtteil Schlaatz. Der Stadtteil, den man als sozialen Brennpunkt in Potsdam bezeichnet, wo die Wohnungen am günstigsten, die Sprachen am vielfältigsten und die Stimmen am lautesten sind. Auf alle Fälle lebt es hier. Ganz anders als in recht frisch entstandenen Stadteilen wie zum Beispiel Bornstedt, wo es zu manchen Zeiten schon an Zufall grenzt, dass man überhaupt jemanden draußen sieht. Aber ich schweife ab.

Hier im Schlaatz jedenfalls, steht die Awo Schatztruhe. Eine Einrichtung, wo Mitmenschen sich eine Grundausstattung zum Leben mitnehmen dürfen und dafür werden natürlich immer Spenden in Form von Geld, Kleidung oder Wohnungseinrichtung benötigt.

Zusammen mit Kindern und Bewohnern aus dem Kiez wurde ein 30 Meter langes Wandbild geschaffen. Ich liebe es einfach. Hier ist erst einmal eine Übersichtsaufnahme.

Ein wenig ins Detail geguckt, bestechen einfach immer wieder die wunderschönen Gesichter, welche Herakut an die Wände zaubert. Damals, in Wittenberg, wo wir zum ersten Mal auf sie aufmerksam geworden sind, haben wir sie liebevoll die „Anstreicher“ genannt. Da waren wir ja ein wenig in der Zeit gereist. Schau dir auch gern nochmal diesen Beitrag an.

Hier noch ein paar Detailaufnahmen vom Potsdamer Wandbild:

Graffiti Potsdam – Herakut – AWO Schatztruhe

 

…hört ihr ihn auch? …chchchch …. chchchchchch…

Ach ja – das war wirklich schön dort eine Weile zu stehen und die Situation auf sich wirken zu lassen. Aber Vorsicht, wenn ihr dort unterwegs seid. Die Jugend ist mächtig keck dort.

Denn während wir dies tun, kommen auf einmal zwei junge Peoples vorbei. 2 Jungs im Alter von vielleicht 12 Jahren. Ganz verschmitzt sagen sie laut hörbar in unsere Richtung: Guck mal die Touristen kommen in den Schlaatz.

Zack. Treffer. Da wir aber ja irgendwie auch in dieser Stadt wohnen und ich sogar schon zum Arbeiten hier war, erlaube ich mir ebenso verschmitz zurück zu fragen: Wieso? Seid ihr Touristen?

Leichtes „stammel“ und „stotter“ von den beiden.

„Äh …uh … äh… nein. Wir doch nicht.“

Und wir haben dann gesagt – tja, wir auch nicht.

Alle zusammen schmunzeln wir später, als ich schon wieder an einer weiteren Wand meine Kamera zücke und die beiden nochmals an uns vorbeiziehen.

Graffiti Potsdam – Herakut – AWO Schatztruhe

 

Zur Entstehung des Bildes gibt es sogar ein einminütiges Video. Schau mal hier:

Weitere Graffitis in Potsdam, die ich so Stück für Stück und eher zufällig gefunden habe

Mit der nächsten Fassadengestaltung geht es nun nach Potsdam-West in die Zeppelinstraße. Hier findest Du noch einige marode für mein Auge eher unschöne Häuser. Dennoch sind sie Teil Potsdams Geschichte, es sind die letzten Reste der Hausbesetzerszene, welche vor allem in den 90igern hier aktiv war. Da ist zum Beispiel die Zeppelinstraße 29 oder auch Zeppi 29, ein selbstverwaltetes Haus. Mit Blick auf die Graffitis ist diese Fassade wohl eine der interessantesten in Potsdam.

Direkt von der Zeppelinstraße kannst du das nächste Wandbild erkunden. Sicherlich erfreut es vor allem Kinderaugen, dennoch war es für mich eine Überraschung, es zu entdecken.

Dank google findest du sicherlich gut den Weg in den Park Sansoucci und hier zum Neuen Palais. Durchquere einfach die Kolonnaden vom Neuen Palais und dann die Straße „Am Neuen Palais“. Westwärts erstreckt sich die Lindenallee nach Bornim. Nebenbei bemerkt ist dies eine schöne Skater- oder Radstrecke. Nachdem du rechter Hand den Sportplatz hinter dir gelassen hast, fällt dir das Bild mit Sicherheit ins Auge. Theo & the 469 Crew. Leider weiß ich nicht, wer der Urheber „Strike“ dieses Werkes ist – es ist auf alle Fälle eine tolle Sache.

Und nun machen wir nochmal einen richtig großen Satz nach Babelsberg. Hier hat die Stadt Potsdam an der Friedhofsmauer am Plantagenplatz legale Graffitiflächen geschaffen. Ich denke das Geschehen an dieser Fläche ist dynamisch und könnte beim nächsten Mal ganz anders aussehen – mein letzter Fund hat mir auf alle Fälle gut gefallen.

Die vorerst (Stand September 2021) letzten beiden Bilder sind sicherlich eine Auftragsarbeit. Du findest sie am Fröbelkindergarten in Potsdam-Babelsberg. Dieser Kindergarten befindet sich direkt am Filmpark Babelsberg. Links die Zöglinge Tiger und Bär vom berühmten Illustrator Janosch und Kinderbuchautor Janosch. Berühmtheit erlangten diese beiden Figuren durch das 1978 erschiene und prämierte Buch: „Oh wie schön ist Panama“.

Rechts der gute Meister Yoda aus dem Star Wars Kosmos. Er ist ein menschenähnlicher und auch mystischer Alien mit großartigen Fähigkeiten. Er gehört zum Orden der Jedi und kämpft mit dem Lichtschwert…

 

Ja – ihr Lieben alle. Danke, dass ihr wieder einmal hier mit mir auf Tour gegangen seid. Mir hat es riesig Spaß gemacht und schau gern bald wieder hier hinein, denn wie immer …. schlummert auch jetzt schon die nächste Beitrags-Idee in mir.

Wenn dich irgendwas in diesem Beitrag bewegt hat, lass mir gern einen Kommentar da.

 

Wenn Du Wandmalerei und Graffitis in Potsdam oder anderswo magst, gefällt dir bestimmt auch dieser Artikel:

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Quellen Beitrag Graffiti Potsdam:

https://www.potsdam.de/content/legale-graffiti-flaechen-potsdam

https://www.pnn.de/potsdam/graffiti-open-air-in-potsdam-ministerien-fuer-buntes/21516206.html

https://www.niederlausitz-aktuell.de/cottbus/49299/cottbuser-kuenster-andy-raitz-einer-der-gewinner-des-graffiti-wettbewerbs-208plus60m-toleranz.html

 

 

 

Ein Kommentar

  • Liebe/r Autor*in, ich finde deine Tour duch Potsdam wirklich großartig. Danke dafür. Besonders berührt hat mich, dass dir die Fliege an unserem Haus im Freiland so gut gefallen hat. Sie ist von einem großartigen Menschen und Artist gemacht worden, den wir vor 3 Jahren an Krebs verloren haben. Von ihm ist auch der Red Cardinal. Ich freu mich immernoch, dass es seine Bilder bei uns an der Wand gibt und dass sie den Besuchenden auffallen. Schön, oder?
    Und toll natürlich auch, dass immer wieder neue Dinge durch die Nachfolgenden entstehen und dies im Freiland möglich ist. Ein echter Freiraum halt.
    Grüße Conny

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