2. Etappe gen Hamburg: Havelradweg von Rathenow nach Havelberg
Wer uns eine Weile schon folgt, weiß, dass wir Ende Juni 2020 mit unseren Rädern in Brandenburg losgefahren sind, um paar Tage später in Hamburg anzukommen. Vor der Tour nochmal richtig gute Mäntel auf die Räder ziehen zu lassen, hat sich gelohnt.
Wir sind erfreulicherweise pannenfrei durchgekommen. Im heutigen Beitrag gibt es nun also die 2. Etappe auf dem Havelradweg. Diese soll uns durch wunderschöne Natur von Rathenow nach Havelberg führen.
Der Tag beginnt entgegen der Wettervorhersage sonnig und wir frühstücken fürstlich im Hotel Sonn´Idyll. Es gibt ein sehr liebevoll gestaltetes Buffet und ich wundere mich, warum Marcus ewig nicht wiederkommt. Er bedient begeistert die Flockenpresse, verrät er mir paar Minuten später.
Unser Tisch steht am kleinen Fischteich, welcher von vielfältigen Pflanzenstauden umgeben ist. Eine richtige kleine Oase. Und auch wenn die lieben Karpfen gern einen Happen hätten, nie im Leben würden wir fremde Tiere füttern.
Gegen 9.30 radeln wir entspannt los, auch die Gewittervorhersagen sind mittlerweile aus der Wetterapp verschwunden. Ein paar Kilometer fahren wir erst einmal durch den Ort Rathenow zum eigentlichen Havelradweg.
Ab hier sind dann 47 Kilometer bis Havelberg angeschlagen.
Der Radweg ist unerwartet wenig befahren, ein paar Einheimische treiben Sport. Die Natur muss langweilig für sie sein – ein Langstreckenläufer lässt sich und sein jeweiliges Umfeld während seiner Trainingseinheit mit Popmusik beschallen. Dazu sage ich mal nix weiter. Wer mich kennt – kennt jetzt auch mein Gesicht. Ein Rentner heftet sich auch noch an unser Hinterrad und alle zusammen düsen wir das hervorragende Asphaltband entlang. Wirklich toller Weg.
Irgendwo im Wald finden wir militärisches Übungsgelände. Panzersperren (dank Marcus kenne ich jetzt dieses Wort). Die angeschrägte Kaimauer lässt ahnen, was hier auf dem Truppenübungsplatz Göttlin so geübt wird. Bei Youtube gibt es dazu ein ausführliches Video, wie die Panzer ins Wasser fahren und eine Brücke ans andere Ufer bauen. Ein kleines Stück weiter klettern wir auf einen Vogelbeobachtungsturm. Die auf den Tafeln angeschriebenen Enten lassen sich vielleicht in weiter Entfernung erahnen, allein der Blick ins weite Grün ist sehr schön. Dann rennt der Ghetto-Blaster wieder an uns vorbei, kurze Zeit später überholen wir ihn wieder. Ist er jetzt schnell oder sind wir langsam?
Im kleinen Örtchen Grütz fahren wir an einer Wasserwanderstelle vorbei. Leute lesen in der Hängematte, andere bauen ihre Zelte ab und die schöne DDR-Betontischtennisplatte möchte gerade keiner nutzen.
Hier in diesem Ort nehme ich bewusst zum ersten mal den schönen Klinkerbau wahr und nahe der Kirche entdecken wir ein Storchennest. Das erste auf dieser Tour.
Der Ton passt überhaupt nicht zum Bild, als nun ein letztes Mal der joggende Ghettoblaster vorbeiläuft.
Die Gegend ist malerisch – ein ums andere Mal halten wir wieder an und zücken die Kamera.
Nachdem wir ein paar Ministeigungen und Abfahrten durch den Wald absolviert haben, passieren wir unscheinbar, an einer Straßenkreuzung die Landesgrenze von Brandenburg zu Sachsen-Anhalt und fahren durch das kleine, nur paar Häuser zählende Örtchen Schollene.
Wie mit perfektem Pinselschwung gemalt, umgibt uns die frische Natur.
Wir strampeln einen kleinen Berg hinauf und hinein nach Molkenberg. Ganze vier oder waren es fünf Storchennester, zählt der Ort. Irre. Eins direkt auf der Kirche.
Und in einem anderen sind die jungen schon geschlüpft und lugen neugierig über den Nestrand.
Mit Rückenwind drückt es uns dann gut und schnell durch die folgenden Felder und es ist wieder ein Storch auf Nahrungssuche, der uns zum Anhalten animiert. Das sind unfassbar viele Meister Adebare in dieser Gegend.
Fotosession vor allem für Marcus, der versucht, den Vogel ein wenig in Szene zu setzen … so viele Störche habe ich noch nie in so kurzer Zeit erlebt. Echt toll. (auf meinem Bild ist der Storch ganz klein zu sehen – links vor dem Gestrüpp).
Wir trudeln weiter durch die Felder, der Wind kommt nun von vorn und es geht etwas langsamer. Und plötzlich gibt die Warn-App Nina eine amtliche Warnung vor schweren Gewittern in Havelberg raus.
Ich werde subpanisch. Bei Gewitter möchte ich einfach nicht durch Felder radeln. Eine megadicke und schwarze Wolkenwand kommt mehr oder weniger auf uns zu, sodaß wir uns zumindest zum Abwarten in einem Bushäuschen in Kuhlhausen entscheiden.
Die dunklen Wolken und die roten Ziegelhäuschen sehen sehr fotogen aus. Das einzige per Werbeschild angekündigte Restaurant hat geschlossen, man beäugt uns lediglich durch ein geschlossenes Fenster des Lokal. Magic.
Außer ein kurzer stark aufbrausender Wind passiert erstaunlicherweise nix. Und während die Warn-App Nina für die Etappenorte vor (Wittenberge) und hinter uns (Rathenow) weiterhin Gewitterwarnung bereithält – ist Havelberg von der Liste verschwunden. Sehr schön.
Die letzten gnadenlosen ungefähr 10 Kilometer gehen gefühlt geradeaus. Immer entlang der Landstraße. Undankbarer Gegenwind. Aber natürlich kommen wir trotzdem irgendwann am Ortseingang an.
Havelberg liegt übrigens in Sachsen-Anhalt. Wir haben auf der gesamten Tour so oft Grenzen von Bundesländern überfahren, dass uns nicht in jedem Moment klar war, in welchem Bundesland wir eigentlich sind. Total spannend.
Und weil tatsächlich auf der ganzen Strecke nicht wirklich eine Einkehr möglich war, stürzen wir direkt in die Altstadt. Im Büchercafe gibt es sehr leckeres hausgemachtes Eis und als nächstes checken wir in unserer heutigen Unterkunft „Hotel am Hafen“ ein.
Wir sind über die geräumigen Zimmer überrascht und freuen uns über einen Blick auf den Hafen, die Havel und die Altstadt sehen wir sogar auch. Ohne länger zu überlegen – könnt ihr hier auf alle Fälle buchen. Für einen richtig angenehmen Aufenthalt versucht ein Zimmer zum Wasser und mit Balkon zu bekommen.
Und hier noch der Blick vom Balkon – einmal links raus zur Stadt …
…und einmal rechts raus, zum Hafen. Schön, oder? Wir sind nun am zweiten Tag schon total eingespielt. T-Shirt waschen, duschen, kurz mal ausstrecken und entspannen und dann wollen wir natürlich ein wenig den Ort Havelberg erkunden, indem wir heute gelandet sind.
Und direkt am zweiten Tag merken wir, dass es für uns genau die richtige Entscheidung war, auf dieser Tour die Übernachtungen in den größeren Orten, anstatt irgendwo in der Prärie zu buchen.
Havelberg ist ein spannendes kleines Städtchen. Eine Hansestadt mit 6547 Einwohnern (Quelle: Wikipedia). Von unserem Hotel und damit vom Hafen aus, steigen wir auf die Anhöhe zum Dom St. Marien hinauf.
Ein wahnsinniger Koloss, mit dem man nach der Durchfahrt von so vielen Feldern, Wiesen und Wäldern eigentlich nicht wirklich rechnet. Die Anhöhe ist der südliche Hang einer Grundmoräne.
Von hier aus gibt es einen fantastischen Blick auf die Altstadt mit dem Kirchturm. Geht unbedingt hier hoch.
Neben dem Dom finden sich zwei bronzene Skulpturen. Keinen geringeren als den preußischen König, den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und Zar Peter I. von Russland. Diese beiden trafen sich hier 1716. Anlass war die Konvention von Havelberg, in welcher sich die Bündnispartner gegenseitige Unterstützung gegen das schwedische Reich zusicherten.
Im Zuge dessen pflegten sie das damals übliche Ritual, Gastgeschenke auszutauschen. Und mal ehrlich, wer von euch wusste denn, das Friedrich Wilhelm I. bei dieser Gelegenheit das legendäre Bernsteinzimmer an den Zar verschenkte? Im Gegenzug erhielt er einen Trupp von 55 Grenadieren, welche als „Lange Kerls“ bekannt wurden. Wir besichtigen dann noch kurz den Schaugarten des Doms, es duftet wahlweise nach Salbei und Lavendel bis sogleich alle Besucher rausgescheucht werden. „Wir schließen jetzt“ tönt es mit sonorer Frauenstimme. Wahrscheinlich ist es jeden Abend das gleich Spiel. Jedenfalls zieht die lehrerhafte Stimme, alle Besucher trotten langsam raus.
Wir bummeln nun rüber auf die Altstadtinsel und lassen uns einfach durch die Gassen treiben. Die Stadt besticht durch wirklich wunderschönes Fachwerk, in den sogenannten und mittlerweile natürlich eingemeindeten Bergsiedlungen wurschteln vereinzelt Leute in ihren kleinen, den Häusern anliegenden Gärten. Andererseits schwingt hier und da ein etwas trauriger Ton mit. Häuser verfallen, der Blick durch ein Fenster in der Altstadt zeigt massig Müll in einer Wohnung. Zahlreiche Gewerbeeinheiten stehen leer, wobei dieses Problem viele Innenstädte kennen … und an einem Laden steht … „hier gibt es Internet“ …. aha. Haben wir das mittlerweile nicht alle auf dem Handy? Ist hier wohl die Zeit ein wenig stehen geblieben? Aber genau das macht für mich den Charme dieser Stadt aus. Ich finde Havelberg richtig schön und werde auch auf alle Fälle nochmals wiederkommen.
Natürlich reicht ein Nachmittag überhaupt nicht, um den ganzen Ort zu erfassen. Da gäbe es noch den Campingplatz, das Prignitzmuseum, vielleicht eine Kanutour und noch viel mehr Gassen und Dinge, von denen ich bestimmt nix mitbekommen habe. Achja – eine Havelberg-Uhr kann man hier auch kaufen. Sie ist der Havel-Wasserstandsanzeigeuhr nachempfunden ….was für eine coole Idee.
Mit tollen Eindrücken im Kopf ziehen wir uns dann zur Nachtruhe ins Hotel zurück. Auf dem Weg dorthin entdecken wir zufälligerweise noch einen Hinweis über eine teilweise Streckensperrung der weiteren Tour. Na bloß gut … und hier für euch der Hinweis, falls ihr in der nächsten Zeit (also in 2020) dort noch rumradelt.
Vielen Dank, dass du auch heute mitgeradelt bist, wenn du irgendwelche tollen Touren, Tipps oder irgendwas anderes hast, was du uns gerne mitteilen möchtest – dann schreibe es uns doch in die Kommentare!
Alle weiteren Beiträge zur Radtour von Brandenburg nach Hamburg:
1. Etappe: https://tripp-tipp.de/havelradweg-von-brandenburg-nach-rathenow/
All unsere Hotels: https://tripp-tipp.de/fruehstuecken-im-hotel-in-zeiten-von-corona/
Erste Impressionen: https://tripp-tipp.de/mit-dem-rad-von-brandenburg-havel-gen-hamburg/
Und wenn du auch mal auf dem Havelradweg unterwegs sein möchtest, empfehle ich dir folgende Webseite:
2 Kommentare
Danke fürs Mitnehmen. Spannend nd. Ich freu mich auf Etappe 3.
Sehr gerne …