Auf den Spuren unserer Vorfahren: Ringheiligtum Pömmelte
Hast du schon mal was vom Ringheiligtum Pömmelte gehört? Ich jedenfalls lange nicht. Für mich grenzt es nahezu an eine Sensation, dass wir ein kleines deutsches Stonehenge haben. Einen astronomisch fein ausgeklügelten Ritual-, Opfer- und Begräbnisplatz, der dank feinster archäologischer Grabungen nun zumindest touristisch und damit informativ wieder aufleben darf. Dieser Ort und damit auch dieser Beitrag macht unsere sehr weite Vergangenheit zumindest etwas greifbarer. Wer sind sie? Die Glockenbecher? Die Aunjetitzer? Auf dem Zeitstrahl folgen wir diesen Kulturen bis ins 3. Jahrtausend vor Christus und mal ehrlich, was wissen wir eigentlich über unsere deutsche Geschichte fernab von ein paar Schlagworten oder dem 1. und 2. Weltkrieg?
Inhalt:
Wo liegt eigentlich das Ringheiligtum Pömmelte
Der Ortsteil Pömmelte gehört zur Stadt Barby. Wir befinden uns im mittleren Osten der Bundesrepublik. Um genau zu sein in Sachsen-Anhalt, westlich der Elbe im Elb-Saale-Winkel und gute 20 Kilometer südlich von der Landeshauptstadt Magdeburg. Die Anfahrt zum Ringheiligtum könnte auch die Überschrift: Irgendwo im Nirgendwo tragen. Das Land ist flach, die Ortschaften werden immer kleiner und der Nahverkehr endet abrupt. Immerhin ist die Straße asphaltiert und der Weg ausgeschildert.
Das Ringheiligtum ist derzeit nur mit dem PKW, dem Rad, zu Fuß und augenscheinlich mit dem Sportflugzeug zu erreichen… da muss sich aber noch etwas ändern, wenn es wirklich berühmt werden will. #eintouristenbuswäresuper
Was ist das Ringheiligtum Pömmelte?
Zunächst erst einmal ganz platt gesagt, ist das Ringheiligtum ein 10.000 qm großes Areal, welches sich als Holzpfostenkonstruktion gefühlt wie zufällig und irgendwie auch unbedeutend mitten in die umliegenden Felder einschmiegt.
Asche auf mein Haupt… und dafür sind wir jetzt so weit gefahren?
Eben noch stolpern wir über ein paar Kürbisse…
Doch beim Näherkommen erkennt man dann recht schnell eine kreisförmige Formation von Holzpfählen, eine sogenannte Kreisgrabenanlage. Diese wurde am ursprünglichen Fundort neu aufgearbeitet. Hierzu zählen neben den im Kreis stehenden Holzpfählen n auch Gräben und Wälle, deren äußerster Kreis einen Durchmesser von 115 Metern aufweist. Weiter hinten sieht es aus, wie ein Aussichtsturm. Es ist auch einer. 9 Meter ist er hoch. Doch dazu gleich.
Das Ringheiligtum von Pömmelte ist eine mehr als 4000 Jahre alte rekonstruierte Kultstätte und gehört als Außenstelle zum nur 7 Kilometer entfernten Salzlandmuseum in Schönebeck.
Darüberhinaus ist es Teil der touristischen Route „Himmelswege“ und damit einer von fünf archäologisch bedeutsamen Orten in Sachsen-Anhalt.
Das Bundesland Sachsen-Anhalt stapelt wirklich tief… warum eigentlich?
Die Anlage wurde erst 1991 mittels Luftaufnahmen entdeckt und im Zeitraum von 2005 bis 2008 untersucht, beforscht und damit vollständig ausgegraben. Das ist so phänomenal, dass wir jetzt endlich rein müssen. Und nachdem wir das Auto auf dem kostenfreien Parkplatz längst abgestellt haben, folgen wir dem beschilderten Rundweg.
Der Rundwanderweg und ein Überblick vom Turm
Der breite und damit rollstuhltaugliche Glaskiesweg führt uns an interessanten und mit ausreichend Text versehenen Tafeln zunächst außen am Ringheiligtum vorbei. Ja, wir überfliegen den Text – aber es zieht uns wie magisch weiter. Zu diesem optisch interessanten Aussichtsturm da hinten…
Die Wege sind gar nicht weit und schon wenige Minuten später stehen wir oben auf dem Aussichtsturm. Jetzt wird es so richtig deutlich, wie groß die Anlage ist – sie passt einfach nicht komplett auf mein Foto. Verzeihung dafür.
Dennoch kann man einige Elemente dieses rituellen Platzes sehr gut sehen.
Zuerst der kleine schwarze Punkt in der Mitte.
Da steht tatsächlich ein Mann genau in der Mitte der im Durchmesser 46 Meter betragenden Freifläche… soll das ein Zufall sein? Just, wenn wir diese Stätte besuchen? Auch wenn er wie bestellt wirkt – er meint es ernst.
Er hat die Arme halbgebeugt zum Himmel gehoben, vollzieht Bewegungen, die einem bestimmten Plan zu folgen scheinen. Beugt ein Bein, wedelt damit, mal dreht er sich und später werden wir auch hören, wie er unentwegt seltsam murmelt… das alles liest er aus seiner Lederkladde, die neben ihm auf dem Boden liegt…
Er würdigt uns keines Blickes. Es scheint hier wirklich Nebenwelten zu geben.
Aber eigentlich stehen wir ja noch auf dem Turm… und jetzt schau mal auf das Foto und die Kreisform dieser systematisch ausgegrabenen und rekonstruierten Anlage.
Da gibt es den allergrößten Außenkreis an Holzpfählen. Dessen Durchmesser ist 115 Meter. Zwischen ihm und dem nächsten ziemlich dichten Kreis, siehst Du immer wieder so helle Flächen. Das sind Steinplatten. Die sind spannend, sie markieren Fundorte… und wir gehen gleich genauer ran, dann sehen wir, was da eigentlich gefunden wurde.
Weiterhin siehst Du den kreisrunden Erdwall, der an einigen Stellen unterbrochen ist. Dazwischen eine Menge Gruben und Gräben.
Der Innenraum ist nahezu blickdicht durch einen weiteren Kreis abgeschlossen. Die Pfosten stehen sehr eng und damit hat dieser Kreis nur zwei Hauptzugänge. Die Ausrichtung ist ganz intelligent nach Ostsüdost und Westnordwest. Damit orientieren sich diese Zugänge am Sonnenauf- und untergang. Und zwar nicht einfach nur so – sondern genau zwischen den Sonnenwenden. Das ist je nach Jahr um den 21. Juni und den 21. Dezember sowie den Tagundnachtgleichen. Diese sind dann jeweils so um den 21. März und den 23. September.
Somit ist jedes viertel Jahr und damit die Jahreszeiten markiert. Damit bekam diese Anlage eine wichtige Kalenderfunktion für den Ackerbau, die Erntesaison und andere Festivitäten, welche hier ausgetragen wurden.
Und jetzt betreten wir den heiligen Ort
Als erstes durchschreiten wir den äußersten Kreis und bereits hier kann man schön die symbolhaften Verzierungen an den Holzpfählen sehen. Wie gesagt. Alles ist rekonstruiert. Als damals, so um 2050 v. Chr. die Anlage aufgegeben wurde, fielen sämtliche Originalholzpfähle dem beabsichtigen Feuer zum Opfer.
Dieser erste Kreis schottet den Platz zunächst zur Außenwelt ab.
Dann befinden wir uns inmitten der ehemaligen Begräbniszone. Jetzt stehen wir direkt vor den sogenannten ehemaligen Schachtgruben, den bereits genannten Steinplatten und den Erdwällen.
Irgendwie unheimlich… denn auf den Steinplatten sind Skelette oder Skelettteile aufgemalt…. und zwar genau jene Teile, die aus einigen Schachtgruben ausgegraben wurden. Leider konnte man an den Skeletten schwere Verletzungen feststellen und nicht hinreichend klären, ob diese im Rahmen von Opferung rituell zugefügt oder im Rahmen von Kampfhandlungen entstanden sind. Es sollen Skelette von Kindern, Jugendlichen und Frauen sein.
Außerdem fanden sich in diesen Gruben sogenanntes Glockenbechermaterial. Also zum Beispiel glockenförmige Becher, welche neben der gehockten Lage der Bestatteten, typisch für diese Epoche waren. Die Glockenbecher sind eine Kultur, welche sich in Europa zwischen 2600 v.Chr. und 2200 v. Chr. zeigte.
Weitere Gefäßfunde bezeugen zudem die frühe Aunjetitzer Kultur. Diese geht aus den Kulturen der bereits gerade genannten Glockenbechern sowie den Schnurkeramikern hervor und wird auf den Zeitraum zwischen 2300 v.Chr. bis circa 1600 v. Chr. datiert. Der wohl bekannteste Gegenstand dieser Kultur ist die berühmte und nur einen Steinwurf von hier entfernt gefundene Himmelsscheibe von Nebra. Diese kannst Du im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle im Original betrachten.
Damit dient der Fundort Ringheiligtum Pömmelte als wichtiger Zeitzeuge für den Übergang der einen Kultur in die Nächste. Das empfinde ich als etwas ganz Besonderes, wenn man das anhand von Fundstücken so präzise bestimmen kann.
Dann betreten wir den Innenkreis. Ein spezielles Gefühl. Sind wir am Anfang noch regelrecht zum Turm gestürzt, werden wir nun langsamer, schleichen erkundend um die Holzpfähle und ich merke, wie ich plötzlich anfange zu flüstern.
Hier haben sie damals – und wie wir ja life erleben dürfen auch heute – mit der „anderen Welt“ kommuniziert. Hier empfing man Offenbarungen des Göttlichen oder empfing transzendente Kräfte.
Heute gibt es hier Yogakurse und touristische Führungen. Damals jedoch waren solche heiligen, in sich abgeschlossenen Stätten auch Orte kriegerischer Angriffe. Hier vor Ort gefundene Pfeilspitzen interpretiert man zumindest in dieser Art.
Was am Anfang so unscheinbar erschien – sprengt, wie ihr merkt, fast den Rahmen eines einfachen Blogbeitrages. Deswegen lasse ich nun einfach mal ein paar Bilder aus dem Innenraum sprechen:
Irgendwann stehen wir einfach nur so in der Mitte und lassen noch einen Moment alles auf uns Wirken. Der mit dem Ritual befasste Mann packt seine Tasche und beschreitet das Gelände nun mit seiner Wünschelrute. Ab und an schaut er von außen durch die engstehenden Holzpfähle in den Kreis hinein, bis er irgendwann verschwindet.
Ganz ungeniert können wir nun einfach die Akustik mal ausprobieren… irgendwie wie in einem Hörsaal. Irre, wie die Hölzer den Klang im Raum halten.
Und dann trödelt uns die Zeit und auch ein wenig die nahende Dunkelheit aus diesem spannenden Areal hinaus… wirklich toll. Also falls Ihr mal Zeit habt, fahrt hin – am Besten noch bevor das Gelände von einem wahnsinnigen Hype erfasst wird. Das wird kommen – da bin ich mir sicher.
Und noch ein kleines Minihighlight vor Ort
Die Solarbank. Mittels Auflegen des Handys – oder mit Hilfe eines USB-Kabels könnt Ihr hier mit etwas Geduld Euer Handy mit Solarstrom aufladen. Das ist doch mal was. Danke an die Stadtwerke in Schönebeck.
Einziger Haken vor Ort
Die Toiletten.
Es gibt zwar einen Toilettencontainer – leider lief zum Zeitpunkt unseres Besuches kein Wasser und so sahen die WC´s dann auch aus. Abends werden sie ohnehin geschlossen.
Einzige Möglichkeit sich zu entledigen… und das ist keine Option: Sind also entweder die umliegenden Felder, der Aussichtsturm war wohl angesichts der vielen weißen Papiertücher auch schon Opfer (pfui pfui pfui) – besser noch: Trinkmenge flach halten und vielleicht vorher nochmal eine Tankstelle oder zum Beispiel die Bäckerei Sprung in Möckern aufsuchen. (hat täglich zwischen 5.00 – 18.00 Uhr geöffnet / Sonntags ab 6.30)
Und eine abschließende Info:
Im Moment befindet sich am Ringheiligtum eine Baustelle. Es wird ein Infozentrum gebaut und augenscheinlich auch noch weiter nach Fundstücken gegraben. Ich vermute – da gibt es dann neben noch mehr Informationen auch bessere WC´s.
Einer Führung vor Ort kannst Du Dich augenscheinlich ohne Anmeldung anschließen – ein Anruf im Salzlandmuseum schadet sicherlich zur Absicherung nicht. Vor Ort ist im Moment kein Personal.
Öffnungszeiten: Das Ringheiligtum ist frei zugängig, kostenfrei und kann somit rund um die Uhr besucht werden.
Ein Buchtipp – Achtung: Werbung
Falls Dich die ganze Thematik interessiert und Du vertiefen möchtest, kann ich Dir dieses Buch empfehlen:
Buch (*): Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra
Vielen Dank, dass Du wieder einmal mit mir gereist bist… in den letzten Wochen haben wir unfassbar viele Fotos und Geschichten gesammelt… wie eigentlich fast immer, ist die nächste Story also schon am Start. Schau bald wieder hier hinein.
Einen weiteren Beitrag zum astronomischen Kosmos von Sachsen-Anhalt findest Du hier:
Die Himmelsscheibe von Nebra – zu Besuch im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle
Quellen:
Beschilderungen vor Ort
Buch: Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra
http://www.himmelswege.de/index.php?id=poemmelte
https://www.tagesspiegel.de/kultur/archaeologie-klein-stonehenge-bei-magdeburg/1289166.html
Und hier gibt es noch eine tolle neunteilige Serie bei Youtube: https://youtu.be/Xx98DOzaAoI
2 Kommentare
Liebe Sandra, ich bin total begeistert von Deinem Bericht. Ich wollte immer mal nach Pömmelte …. naja, und war noch nie da. Danke für die ausführliche Schilderung! Jetzt verstehe ich die Geschichte und hab außerdem einen Motivationsschub.
Liebe Grüße, Marike
Liebe Marike,
das freut mich total, dass ich Dich mit meinem Beitrag begeistern und auch für einen Ausflug motivieren kann… so soll das sein, oder? Viel Freude dort und liebe Grüße. Sandra